NaturFreunde heißen Geflüchtete willkommen

Beschluss des Bundesausschusses der NaturFreunde Deutschlands vom 14.11.2015

Refugees Welcome
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Jeder Geflüchtete – egal, ob er seine Heimat wegen Krieg, wirtschaftlichen oder umweltpolitischen Gründen verlässt – ist zunächst einmal Mensch. Dies sollte gerade in der derzeit geführten Debatte herausgestellt werden. Diese Menschen kommen nicht ohne Grund zu uns.

Wer Waffen verkauft und hieraus „Gewinn“ erzielt, muss damit rechnen, dass diejenigen, auf die die Waffen gerichtet sind, zu uns kommen.

Wer Handelsverträge entwirft und abschließt, um andere nicht nur auszubeuten, sondern ihnen auch die wirtschaftliche Grundlage eines angemessenen Lebensstils entzieht, darf sich nicht wun­dern, wenn die Ausgebeuteten zu uns kommen oder neue – auch illegale und menschenrechts­widrige – Tätigkeiten aufnehmen.

Wer klimaschädliche Wirtschaftspolitik betreibt und so die natürliche Lebensgrundlage anderer zerstört, zerstört deren Heimat und muss diesen Menschen ein neues Zuhause geben.

Die Geflüchteten kommen also nicht überraschend. Wer etwas anderes sagt, versteht die Zusam­menhänge nicht oder lügt bewusst. In einem Teil der Gesellschaft hat sich eine gefährliche explosive Stimmung entwickelt. Wir NaturFreunde werden nationalistischen und rassistischen Äußerungen entgegentreten. Wir machen deutlich, dass sich die NaturFreunde als Teil der antirassistischen und antifaschistischen Bewegung in unserem Land verstehen. NaturFreunde begrüßen die hundert­tausendfache Hilfe durch Freiwillige, die dazu beitragen, Geflüchteten Hilfe bei ihrer Ankunft in Deutschland zu geben.

Die vielen zehntausend Ehrenamtlichen helfen mit, dass die fehlende Infrastruktur der öffentli­chen Hand zum Teil ausgeglichen werden kann und die nicht akzeptablen Verhältnisse in vielen provisorischen Unterkünften zumindest verbessert werden können. Dafür danken die Natur­Freunde den vielen Engagierten.

NaturFreunde leisten Hilfe und leben Interkulturalität

Die NaturFreunde begrüßen das große Engagement vieler Ortsgruppen und Einzelmitglieder in der Arbeit für und mit Geflüchteten. NaturFreunde engagieren sich in lokalen Geflüchteteninitiativen, haben ihre Häuser für Geflüchtete geöffnet, organisieren direkte Hilfe und machen Angebote für die Integration von Geflüchteten in die Arbeit der NaturFreunde. Der Bundesausschuss der Natur­Freunde bedankt sich bei den engagierten Ortsgruppen und NaturFreunde-Mitgliedern für diese wichtige Arbeit und bittet alle Ortsgruppen zu prüfen, ob sie mit ähnlichen Aktionen mithelfen können, die Chancen und Möglichkeiten der neuen Bürger_innen in Deutschland zu erhöhen und ihnen über die Mitarbeit bei den NaturFreunden einen Einstieg in die Integration in das neue Um­feld zu ermöglichen.

  1. Schon seit Jahren engagieren sich zahlreiche Ortsgruppen global bei der Hilfe zur Selbst­hilfe, damit Fluchtgründe gar nicht erst entstehen. Wir leisten bereits an vielen Orten der Welt Hilfe zur Selbsthilfe. Diese Hilfe muss nicht nur erhalten, sondern ausgebaut werden. So ist zum Beispiel die Einrichtung eines internationalen Klimafonds ein Schritt, der den betroffenen Ländern zugutekommen soll. Insbesondere die armen Regionen des globalen Südens, die schon seit Jahrzehnten den Folgen des Klimawandels ausgesetzt sind, ohne selbst nennenswert Emissionen verursacht zu haben, müssen unterstützt werden.
  2. Wir NaturFreunde setzen uns aktiv für die Integration der Geflüchteten in die Gesellschaft ein. Wir freuen uns auf neue Erfahrungen und die Bereicherung unserer Gesellschaft durch die neu Ankommenden. Seit vielen Jahren leisten viele NaturFreund_innen aktive Arbeit für eine interkulturelle Entwicklung der Gesellschaft. Wir heißen die Geflüchteten willkommen. Wichtig ist aber eine kontinuierliche Hilfe. NaturFreunde bieten schon jetzt dauerhafte Unterstützung. Viele helfen durch ehrenamtliche Deutsch- und Integrationskurse, unter-stützen die Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen in Ersteinrichtungen oder gestalten ihre Freizeit gemeinsam mit den Geflüchteten.
  3. Wir NaturFreunde wollen unsere Arbeit in den Gruppen weiterentwickeln und die Integra­tion von Geflüchteten in die Arbeit der Ortsgruppen ermöglichen. Hierfür werden wir unsere Angebote überprüfen und erweitern.
  4. Wir unterstützen unseren Jugendverband, die Naturfreundejugend Deutschlands, dabei, auf die Bedürfnisse junger Geflüchteter einzugehen und eigenständige Angebote für diese jungen Menschen anzubieten. Wir sind davon überzeugt, dass jungen Geflüchteten ein informelles Lernen und das Erleben von Freiräumen ermöglicht werden muss. Junge Ge­flüchtete haben ein Recht auch auf einen Zugang zu außerschulischen Bildungsangeboten, damit sie Gemeinschaft erfahren und sich entfalten können. Insbesondere Jugendverbände bieten dafür viele Möglichkeiten und Perspektiven.
  5. Die Naturfreundehäuser wollen wir für die Arbeit mit Geflüchteten öffnen und auch Mög­lichkeiten der zeitweisen Unterbringung von Geflüchteten prüfen. Naturfreundehäuser sind Räume für Interkulturalität und bieten eine große Chance für integrative Angebote, gesellschaftliches Engagement für und mit den Geflüchteten.

Wir NaturFreunde sind gegen die „Festung“ Europa

Wir stehen als internationale Organisation mit einer 120-jährigen Geschichte für ein offenes, für ein tolerantes Europa, das im Einklang mit unseren Werten hilft. Die Abschottung der europäischen Außengrenzen zwingt Flüchtende zu gefährlichen Routen über den West-Balkan und das Mittelmeer. Mit der aktuellen Politik der Europäischen Union wird der häufig fatale Menschenschmuggel noch lukrativer. Schutzsuchende müssen die EU auf legalem und sicherem Wege erreichen können.

Wir NaturFreunde fordern:

  1. Fluchtursachen verhindern! Für viele Fluchtursachen auf dieser Welt ist die Politik der Staa­ten des globalen Nordens verantwortlich: Die Rüstungs-, Außen- und Wirtschaftspolitik trägt dazu bei. Wir NaturFreunde sind überzeugt, dass wir eine Politik und Wirtschafts­entwicklung brauchen, die nicht zu Lasten vieler Länder geht.
  2. Wir NaturFreunde fordern die Bundesregierung auf, Konflikte nicht mit militärischen Mitteln auszutragen. Waffen schaffen keinen Frieden, sondern nur neues Leid. Deshalb lehnen wir Waffenexporte entschieden ab und fordern ein grundgesetzlich verankertes Verbot von Waffenexporten.
  3. Auf Dauer ist die Unterstützung von Asylbewerber_innen nicht allein ehrenamtlich zu stemmen. Die Unterstützung der Geflüchteten ist auch Aufgabe der Regierung und der Verwaltung. Wir müssen unsere Regierung zu eindeutigen und klaren Bekenntnissen und Handeln zwingen und die gesellschaftliche Bedeutung von Verbänden wie den Natur­Freunden Deutschlands und ihrem Jugendverband deutlich aufzeigen.
  4. Hass und Hetze darf weder in der Politik noch in der Gesellschaft Grundlage des Handelns und der Kommunikation werden. Hier gilt es von Anfang an, sich mit klaren Worten zu bekennen: Wo rassistische Bewegungen aufmarschieren, müssen wir uns diesen entgegen­stellen. Wo gehetzt wird, ist Widerspruch notwendig. Wenn wir jetzt nicht gemeinsam han­deln, ist unsere offene Gesellschaft in Gefahr.
  5. Nötig ist Hilfe zur Integration. Dabei darf dies aber keine Einbahnstraße sein. Wir können und wollen unsere Lebensweise keinem anderen aufzwingen. Offene Herzen und Verstand sind der Schlüssel zur Integration. Dass dies nicht einfach ist und auch Risiken in sich birgt, ist allen vernünftigen Menschen bewusst. Wer aber nichts riskiert, lässt Chancen für uns alle ungenutzt verstreichen.

Der Valletta-Gipfel: falsche Antworten für Menschen in Not

Die Regierungen der Europäischen Union geben die falschen Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit. Nicht die Bekämpfung von Flüchtenden darf im Mittelpunkt der Politik stehen, sondern die Hilfe für Menschen in Not. Die Ergebnisse des „Valletta-Gipfels“ vom 11./12. No-vember 2015 setzen vor allem auf Abschreckung, Abschiebung und Druck auf die Staaten Afrikas.

Wir NaturFreunde fordern:

  1. Die Schaffung eines speziellen EU-Hilfsprogramms zur direkten Hilfe für Menschen in Not und auf der Flucht begrüßen die NaturFreunde ausdrücklich. Die NaturFreunde erwarten jedoch von den Regierungen der EU-Staaten, dass die bisher bereitgestellten Mittel in Höhe von 1,8 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt von den nationalen Regie­rungen deutlich aufgestockt werden. Die NaturFreunde lehnen alle Versuche der EU-Kommission ab, Hilfen für Mensch in Not an den Abschluss von Rücknahmeabkommen oder die Einrichtung von Asylzentren in den jeweiligen Ländern zu koppeln.
  2. Die geplanten Rückführungsabkommen mit den Staaten Afrikas lösen nicht die Problematik der Migration, sondern verschärfen die Schwierigkeiten. Die Forderung, dass afrikanische Staaten die Pflicht haben, „illegal“ in die EU eingereiste Personen zurückzunehmen, führt zu einer Kriminalisierung der Geflüchteten in den Staaten der EU und in den Herkunftsländern. Durch den Versuch der EU sogenannte „sichere Herkunftsstaaten“ festzulegen, wird der Druck auf die Staaten Afrikas weiter erhöht und Menschen systematisch ihr individuelles Recht auf Asyl beschnitten. Gleichzeitig ist die Forderung der EU, dass afrikanische Staaten Gesetze gegen „illegale“ Einwanderung erlassen, der Versuch, Menschen auf der Flucht zu kriminalisieren.
  3. Die Schaffung von neuen Aufnahmeeinrichtungen auf den sogenannten Migrationsrouten hat alleine das Ziel, Menschen auf der Flucht daran zu hindern, in andere Staaten der EU zu kommen. Diese Migrationszentren lehnen die NaturFreunde ab.
  4. Die NaturFreunde begrüßen alle Schritte, die Möglichkeit einer legalen Einreise in die EU zu erweitern.

Bundesausschuss der NaturFreunde Deutschlands
Bonn, 14.11.2015