Auch NaturFreunde Bayern kritisieren geplantes Polizeiaufgabengesetz

Gemeinsame Pressemitteilung von BUND Naturschutz in Bayern, Green City, JBN, NaturFreunde Bayern und Umweltinstitut München

In einem offenen Brief an die bayerische Staatsregierung kritisieren bayerische Umwelt- und Naturschutzorganisationen, darunter auch die NaturFreunde Bayern, das geplante Polizeiaufgabengesetz. Sie weisen darauf hin, dass von den erweiterten Überwachungs- und Durchgriffsbefugnissen der Polizei auch Hunderttausende Ehrenamtliche betroffen wären, die sich friedlich, öffentlich und aus Überzeugung für die Umwelt in Bayern einsetzen.

Initiatoren des Briefs sind der BUND Naturschutz in Bayern, Green City, die Jugendorganisation BUND Naturschutz (JBN), die NaturFreunde Bayern und das Umweltinstitut München. Gemeinsam fordern sie Ministerpräsident Markus Söder und Innenminister Joachim Herrmann dazu auf, den geplanten Entwurf für das Polizeiaufgabengesetz zurückzuziehen.

Auch in der Vergangenheit war die Umweltbewegung in Bayern bereits Ziel polizeilicher Maßnahmen: Der Konflikt um die Wiederaufbereitungsanlage für Atommüll in Wackersdorf war der politische Hintergrund dafür, dass 1986 im bayerischen Polizeiaufgabengesetz der Einsatz von Gummigeschossen gegen Menschen erlaubt wurde und die Höchstdauer für den so genannten Unterbindungsgewahrsam von zwei auf 14 Tage erhöht wurde.

Der offene Brief vom 2. Mai 2018 im Wortlaut

Ermutigen statt einschüchtern: Der Entwurf für ein neues Polizeiaufgabengesetz muss zurückgezogen werden!

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Dr. Söder,
sehr geehrter Herr Innenminister Herrmann,

die Diskussion um die Neufassung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes verfolgen wir als Vertreterinnen und Vertreter der bayerischen Umweltbewegung mit großer Sorge. Die Möglichkeit, Menschen zu überwachen, die keine Straftat begangen haben und bei denen kein konkreter Verdacht auf Planung einer Straftat besteht sowie die Zusammenführung von Überwachungs- und Durchgriffsbefugnissen bei der Polizei betrifft auch uns.

Es ist erwiesen, dass sich Menschen im öffentlichen Raum vorsichtiger bewegen, wenn sie wissen, dass sie dabei überwacht werden. Wir befürchten, dass die neuen Möglichkeiten der Polizei zur Überwachung unbescholtener Bürgerinnen und Bürger dazu führen, dass deren zivilgesellschaftliches Engagement abnimmt. Wir können unsere Umwelt aber nur dann erfolgreich schützen, wenn Menschen sich trauen, sich dafür einzusetzen. Wir und hunderttausende Ehrenamtliche in unseren Organisationen tun das aus Überzeugung, friedlich und öffentlich. Wir Umweltschützerinnen und Umweltschützer zeigen unser Gesicht zum Beispiel auf Demonstrationen, bei Bürgerversammlungen und vor Gericht, wir unterschreiben Einwendungen und Petitionen mit unserem vollen Namen. Gerade weil wir uns nicht verbergen, weckt das neue Polizeiaufgabengesetz bei uns Befürchtungen.

Die Demokratie lebt auch davon, dass eine aktive Zivilgesellschaft das staatliche Handeln begleitet und mitgestaltet. Das setzt voraus, dass Menschen bei kritischen Äußerungen keine Angst vor Kriminalisierung haben müssen. Das neue Polizeiaufgabengesetz nimmt uns ein Stück von dem Gefühl, auffallen und abweichen zu dürfen.

Ein Beispiel aus der Vergangenheit zeigt, wie sehr auch die Umweltbewegung von polizeilichen Maßnahmen betroffen ist. Der Konflikt um die Wiederaufbereitungsanlage für Atommüll in Wackersdorf war der politische Hintergrund dafür, dass 1986 im bayerischen Polizeiaufgabengesetz der Einsatz von Gummigeschossen gegen Menschen erlaubt wurde und die Höchstdauer für den so genannten Unterbindungsgewahrsam von zwei auf 14 Tage erhöht wurde. Inzwischen wurde er auf 3 Monate ausgedehnt.

Wer als Bereicherung und wer als Gefahr für die Gesellschaft angesehen wird, das ist eine Frage der öffentlichen Stimmung und der politischen Mehrheiten. Rechtsstaatliche Prinzipien sollen diese Schwankungen überdauern. Dass nur überwacht und eingesperrt werden darf, wer eine konkrete Straftat begangen oder geplant hat, ist eines davon. Wenn wir uns für die Lösung der Klimakrise und den Stopp des Artensterbens engagieren und uns mitunter auch gegen staatliche Großbauprojekte stellen, ist die Natur- und Umweltschutzbewegung aus der Sicht von Regierungen oft ein Dorn im Auge. Ein missbräuchlicher Umgang der ausufernden Überwachungs- und Durchgriffsbefugnisse der Polizei – auch gegen friedliche Protestbewegungen – kann nicht ausgeschlossen werden.

Das angestrebte Polizeiaufgabengesetz ist einer Demokratie unwürdig. Es behindert staatsbürgerliches Engagement und führt zur Einschüchterung vor allem bei jungen Leuten, die um ihre berufliche Zukunft fürchten. Auch wenn der anhaltende Widerstand gegen das PAG im Detail Abmilderungen bewirkt hat, reichen diese nicht aus. Wir bayerischen Umweltverbände fordern Sie daher auf, den aktuellen Entwurf für ein neues bayerisches Polizeiaufgabengesetz zurückzuziehen.