Gemessen: 80 Prozent weniger Schmetterlinge, Bienen und Schwebfliegen
Wer nach sommerlichen Autotouren genau hinguckt, sieht bereits einen Unterschied: Die Frontscheibe muss heute viel seltener von Insektenleichen gereinigt werden als noch vor Jahren. Das freut natürlich die Autofahrer. Dabei ist es ein Signal für eine ökologische Katastrophe.
Empirische Untersuchungen des Entomologischen Vereins Krefeld, mit dem auch der NABU in Nordrhein-Westfalen zusammenarbeitet, erhärten den Verdacht. Ehrenamtliche Helfer hatten zwischen den Jahren 1989 und 2014 an insgesamt 88 Standorten fliegende Insekten gesammelt, ihre Arten bestimmt und sie gewogen. Während sie 1995 etwa 1,6 Kilogramm aus den Untersuchungsfallen sammelten, sind sie mittlerweile froh, wenn sie noch auf 300 Gramm kommen.
Dieser gemessene Rückgang von rund 80 Prozent betrifft unter anderem Schmetterlinge, Bienen und Schwebfliegen. Das ist nicht nur eine Frage des Artenschutzes. Wenn nämlich die Fluginsekten fehlen, gerät die gesamte Nahrungskette in Gefahr: Blumen und Bäume werden weniger bestäubt und Vögel haben Probleme bei der Nahrungssuche.
Auch die „Zukunftsstiftung Landwirtschaft“ bewertet diese Entwicklung als wachsende Bedrohung für die Grundlagen der menschlichen Nahrungsgewinnung. Eingriffe des Menschen in die Natur wie Landschaftsveränderungen, Bodenverdichtung und der Einsatz von sogenannten Schädlingsbekämpfungsmitteln wie Herbiziden und Insektiziden hätten einen Rückgang der biologischen Vielfalt zur Folge. Wenn nichts mehr summt, werden am Ende die Schädlingsbekämpfer selbst darunter leiden.
Als besonders bedrohlich sieht die Stiftung die sogenannten Neonicotinoide an, die als Beizmittel mit den Getreidesamen im Boden verteilt werden. Neonicotinoide sind Nervengifte, die „Schädlinge“ im Boden vernichten sollen – aber auch Fluginsekten schaden, die mit diesen Stoffen in Berührung kommen. Neonicotinoide halten sich lange im Boden.
Forscher in aller Welt machen diese hochwirksamen Insektizide inzwischen auch für das rätselhafte Bienensterben verantwortlich. Die Europäische Union hat deshalb Beschränkungen erlassen und Neonicotinoide wie Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam verboten. Allerdings soll Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) neuerdings die Absicht haben, einige Ausnahmen wieder zuzulassen.
Das wäre ein Verbrechen an der Natur und damit an der Vielfalt des Lebens, die auch der Mensch zum Überleben braucht.
Eckart Kuhlwein
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in NATURFREUNDiN 2-16.