Das sozial-ökologische Geschäftsmodell

Warum Bürgerenergiegenossenschaften sehr sinnvoll sind, jetzt aber unter Druck geraten

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Ein Motor der Energiewende sind „Bürgerenergiegenossenschaften“: In der Regel sind dies Vor-Ort-Initiativen, zu denen sich Privatpersonen und kleine Unternehmen zusammengeschlossen haben, um gemeinsam dezentrale Kraftwerke zu betreiben. Auf diese Weise sind regionale Projekte zur nachhaltigen Energieversorgung entstanden. Und zwar in unterschiedlicher Art und Größe: vom Bioenergiedorf, in dem Landwirt*innen aus der Umgebung die nachwachsenden Rohstoffe zur Energieproduktion liefern, bis hin zur „Bürger-Solarkraftwerke eG“, die möglichst viel Fotovoltaikanlagen in ihrer Gemeinde auf öffentlichen und privaten Dächern installieren will.

Der Blick in Statistiken zeigt allerdings, dass der Boom stockt. Während die Anzahl der registrierten „Energiegenossenschaften“ zunächst anstieg und im Jahr 2015 jenseits von 900 lag, ist sie seitdem zurückgegangen. Derzeit gibt es 835 Energiegenossenschaften in Deutschland. Durch politische Entscheidungen kam es zu einer regelrechten Verdrängung der Energiegenossenschaften aus dem Strom- und Wärmemarkt. In diesem Zusammenhang ist beispielsweise auf den Wegfall des Zuschusses nach dem
Erneuerbare-Energien-Gesetz zu verweisen. Für eine Energiegenossenschaft mit zwei älteren Windrädern tritt eine existenzbedrohende Situation ein, wenn ihre Anlagen jetzt nach 20 Jahren ihren Zuschuss aus der EEG-Förderung verlieren, obwohl ein Ende der Lebensdauer der Anlagen noch nicht erreicht ist. Denn die dann nötige Vermarktung des Stroms ist für kleinere Genossenschaften sowohl organisatorisch als auch wirtschaftlich nicht zu leisten.

Bundesregierung setzt EU-Recht nicht um

Eine andere Behinderung ist die mangelnde Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU durch die Bundesregierung. Diese Regelung eröffnet Bürger*innen die Möglichkeit, regional erzeugte erneuerbare Energie in Eigenregie zu nutzen – und zwar ohne große finanzielle Belastungen und bürokratische Hürden. Die Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht erfolgte aber zulasten von gemeinschaftlichen Lösungen. So erlaubt das EEG 2021 die Eigenversorgung weiterhin nur für Einzelpersonen. Gemeinsam handelnde Eigenversorger – wie Energiegenossenschaften – sind hingegen nicht vorgesehen. Auch eine energieeffizientere und auf Basis erneuerbarer Energien umzusetzende Wärmeversorgung muss in den Blick genommen werden. Genossenschaftliche Nahwärmenetze bekommen zum Beispiel Probleme, wenn die Hauptwärmequelle nach Ablauf der zwanzigjährigen EEG-Förderung wirtschaftlich nicht weiterbetrieben werden kann.

Um diese Behinderungen zu überwinden und weitere Hemmnisse gar nicht erst entstehen zu lassen, sollten Energiegenossenschaften und Kommunen ihre Kräfte stärker bündeln. Davon würden beide Seiten profitieren: Energiegenossenschaften verfügen bei allen Fragen der Bürgerbeteiligung über eine hohe Glaubwürdigkeit und Akzeptanz. Kommunen und Stadtwerke könnten ökonomisches Know-how, Zugang zu Fördermitteln, Flächen und viel verwaltungs- und abwicklungstechnisches Wissen bereitstellen.
Durch eine gezielte Einbindung von Bürgerenergiegenossenschaften in die kommunale Energieversorgung würde zudem die Akteursvielfalt gefördert und es bliebe mehr Wertschöpfung in der Region. Nicht zuletzt darf auch der Beitrag von Bürgerenergiegenossenschaften zur Akzeptanz der Energiewende nicht unterschätzt werden:  Bürgerenergiegenossenschaften sprechen interessierte Bürger*innen an und beteiligen diese an einer demokratischen und krisensicheren Organisationsform.

Joachim Nibbe