„Die CO2-Emissionen sind leider nicht gesunken“

Was der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann über den Klimaschutz, Stuttgart 21, die Grünen und die NaturFreunde sagt

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Die Juniausgabe der NATURFREUNDiN, Magazin der NaturFreunde Deutschlands, hat den baden-württembergischen Verkehrsminister Winfried Hermann interviewt, der auch langjähriges Mitglied der NaturFreunde ist.

Im Interview äußert sich Hermann zu Klimaschutz im Verkehrssektor, Stuttgart 21, seinen Beweggründen, den Grünen beizutreten sowie zu seiner Mitgliedschaft bei den NaturFreunden. Aber lies am besten selbst:

NATURFREUNDiN: Winfried, warum bist du vor 46 Jahren Mitglied der NaturFreunde geworden?

Winfried Hermann: Damals war ich Sportstudent und wollte in die Jugendarbeit. Bei der Naturfreundejugend konnte ich den Übungsleiter im Skifahren machen. Wir haben große politische und internationale Sport-Freizeiten im Kanzelwandhaus in den Allgäuer Alpen organisiert. Die NaturFreunde waren politisch, sportlich und kulturell aktiv. Sie sind politisch links, aber nicht dogmatisch. Das reizte mich.

Was hat dich 1982 zu den Grünen geführt?

Weiter zur NATURFREUNDiN ...Dieser Artikel ist Teil der Juniausgabe der NATURFREUNDiN. Darin geht es unter anderem auch um die Zukunft Europas, ein mögliches AfD-Verbot, starke Frauen in Senegal und den Riverbug-Sport. www.naturfreundin.naturfreunde.de

Eine linke und ökologische Partei mit Zielen wie die NaturFreunde gab es lange nicht. Anfang der Siebziger war ich Mitglied der von Willy Brandt geprägten SPD. Wegen der Atompolitik von Bundeskanzler Helmut Schmidt und wegen des NATO- Doppelbeschlusses zur Stationierung von Mittelstreckenraketen bin ich dann ausgetreten. Viele Ortsverbände der NaturFreunde standen der SPD nahe, waren quasi SPD-Unterorganisationen. Aber zum Frieden und zur Atomenergie hatten sie stets eine andere Meinung. Als sich später die Grünen gründeten, war das meine Partei: Sie waren ökologisch und sie waren links.

Später als Bundestagsabgeordneter warst du Vorsitzender des Verkehrsausschusses und bist nun seit 13 Jahren Verkehrsminister in Baden-Württemberg. Warum hinkt der Verkehrssektor beim Klimaschutz so hinterher?

Wir sind eine hochmobile Gesellschaft. Immer mehr Menschen fahren Auto. Wir legen längere Strecken zurück, meist mit dem fossil angetriebenen Auto, aber auch mit dem Flugzeug und mit der Bahn. Die Politik hat lange Zeit auf Steuerung verzichtet und die Automobilindustrie musste beim Klimaschutz nicht liefern. Das hat sich inzwischen geändert durch das Umsteuern zur klimafreundlichen Mobilität, das EU-weite Aus von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 und die neuen Flottengrenzwerte für den CO2-Ausstoß.

Dennoch haben wir einen klaren Nachholbedarf im Verkehrssektor. In Baden-Württemberg müssen wir bis 2030 die CO2-Emissionen des Verkehrs um 55 Prozent reduzieren. Diese sind trotz aller Anstrengungen nicht gesunken und das ist für mich als grüner Verkehrsminister bitter. Wir können Erfolge beim öffentlichen Personennahverkehr, bei der Förderung des Rad- und des Fußverkehrs vorweisen. Doch ohne Wende zu klimaneutralen Antrieben beim Auto geht es nicht. Eine Autogesellschaft, die weiter mit fossilen Brennstoffen fährt, kann das Klima nicht schützen.

Muss nicht mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene?

Natürlich müssen wir Verkehr auf umweltfreundliche Verkehrsmittel verlagern. Aber es dauert, bis die Bahn einige Kilometer neu gebaut oder saniert hat. Drei Viertel des Personenverkehrs und des Gütertransports finden auf der Straße statt. Binnen zehn Jahren wird die Deutsche Bahn kaum eine Verlagerung von zehn Prozent der Verkehre schaffen. Und selbst dann bleibt ein Riesenbatzen Straßenverkehr übrig. Um den CO2-Ausstoß des Verkehrs zu senken, brauchen wir die Antriebswende im Straßenverkehr.

Für dich ist Stuttgart 21 die teuerste Fehlinvestition der Bahn in Deutschland.

Es ist extrem teuer, diesen unterirdischen Bahnknoten zu bauen. Die bislang letzte Kostenschätzung lag bei 11,5 Milliarden Euro. Mit viel weniger Geld hätte die Bahn die vorhandenen Anlagen modernisieren können. Auch ein Kombi-Bahnhof wie in Zürich, wo nur die Fernstrecke unterirdisch läuft, wäre kostengünstiger und leistungsfähiger geworden. Die Volksabstimmung ergab aber eine Mehrheit für den Bau von Stuttgart 21 und daran hatte ich mich zu halten.

Wir haben dann noch viele Verbesserungen durchgesetzt. So bekommt der unterirdische Bahnhof nun eine moderne digitale Zugsteuerung. Ob ich dessen Inbetriebnahme als Verkehrsminister erlebe, ist offen. 2026 haben wir Landtagswahl. Der geplante Eröffnungstermin Dezember 2025 wackelt, aber die DB als planendes und bauendes Unternehmen will erst im Juni erklären, ob es bei diesem Datum bleibt.

Können wir weiter bei NaturFreunde-Veranstaltungen mit dir rechnen?

Ich habe noch nie eine Einladung der NaturFreunde abgelehnt. Als ich noch in Tübingen wohnte, wurde ich öfter eingeladen. Das hat, seit meinem Umzug nach Stuttgart und seit ich Minister bin, nachgelassen. NaturFreunde sind gemeinsam im linken demokratischen Spektrum zuhause und dabei spielen Parteigrenzen keine Rolle. Das finde ich gut und ich bin stets offen für Einladungen zu Themen, bei denen ich kompetent bin.

Interview: Jürgen Voges

(Dieser Artikel ist zuerst erschienen im NaturFreunde-Mitgliedermagazin NATURFREUNDiN, Ausgabe 2-24.)