EU plant mehr als 20 neue Freihandelsabkommen

Ein Überblick von Uwe Hiksch, Mitglied des Bundesvorstands der NaturFreunde Deutschlands

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Die EU-Kommission befindet sich derzeit mit mehr als 20 Staaten und Handelsregionen in Verhandlungen zu neuen Freihandelsabkommen.

Am bekanntesten sind die Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) und der EU und Kanada (CETA).

Freihandelsabkommen EU – Kanada (CETA)

Die Verhandlungen zwischen der EU und Kanada wurden im September 2014 abgeschlossen und am 30. Oktober 2016 von Spitzenvertreter_innen der EU und Kanadas unterzeichnet. Auch das EU-Parlament hat das Freihandelsabkommen am 15. Februar 2017 gebilligt. Nachdem das Freihandelsabkommen durch das EU-Parlament gebilligt wurde, ist es am 21. September 2017 „vorläufig in Kraft getreten“. Diese sogenannte „vorläufige Anwendung“ gilt jedoch nicht für das gesamte Abkommen, da aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshof nicht alle Bereiche von Freihandelsabkommen vergemeinschaftet sind, was bedeutet, dass manche Bereiche durch die Mitgliedstaaten der EU ratifiziert werden müssen. Dieser Ratifizierungsvorgang wurde nun eingeleitet. Bis zur endgültigen Ratifizierung durch alle 28 Mitgliedstaaten der EU gelten nur diejenigen Bereiche des Abkommens, „die unstreitig in der Zuständigkeit der EU liegen“. Erst wenn alle 28 Mitgliedstaaten der EU dieses Freihandelsabkommen ratifiziert haben, wird es endgültig in Kraft treten.

Freihandelsabkommen EU – USA (TTIP)

Die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen EU – USA (TTIP) wurden im Sommer 2013 begonnen. Alle drei Monate trafen sich die Verhandlungsgruppen der EU-Kommission und der USA um dieses Freihandelsabkommen auszuhandeln. Von 2013 bis 2017 fanden insgesamt 15 Verhandlungsrunden statt. Seit der Wahl von Donald Trump Anfang 2017 pausieren die Verhandlungen zwischen der EU und den USA und sind „mit der neuen US-Regierung noch nicht wieder aufgenommen worden“. Die EU-Kommission bemüht sich jedoch seitdem intensiv, die US-amerikanische Regierung wieder an den Verhandlungstisch zu bekommen.

Freihandelsabkommen mit Staaten aus Asien

Seit der Beendigung der Verhandlungen über das multilaterale Freihandelsabkommen TPP (Transpazifische Partnerschaft) durch die Regierung der USA, hat die EU-Kommission die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit Japan deutlich verstärkt. Das Freihandelsabkommen TPP sollte zwischen den Staaten Australien, Brunei, Chile, Japan, Kanada, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur, Vietnam und ursprünglich den USA abgeschlossen werden. Nachdem die US-amerikanische Regierung die Verhandlungen beendet hat, versucht nun die kanadische Regierung die Verhandlungen zu forcieren und das Abkommen ohne die USA abzuschließen.

Die EU-Kommission versucht dabei, die angeblich positiven Wirkungen von Freihandelsabkommen anhand der abgeschlossenen Freihandelsabkommen der EU mit Singapur, Südkorea und Vietnam nachzuweisen.

Freihandelsabkommen EU – Japan (JEFTA)

Durch das Freihandelsabkommen EU-Japan (JEFTA) würde laut ZEIT ONLINE „die größte Freihandelszone der Welt entstehen“. Die Verhandlungen der EU mit Japan wurden am 25. März 2013 offiziell eröffnet. Seitdem haben insgesamt 19 Verhandlungsrunden stattgefunden. Auf dem 24. EU-Japan-Gipfel am 6. Juli 2017 wurde „eine politische Grundsatzeinigung“ zwischen der EU und Japan erzielt und am 8. Dezember 2017 wurde „der endgültige Abschluss der Verhandlungen“ verkündet. Bis zum Sommer 2018 soll „das Abkommen dem Rat und anschließend dem Europäischen Parlament“ durch die EU-Kommission vorgelegt werden. Danach müssen das Europäische Parlament und die 28 Regierungen der EU-Mitgliedstaaten dem Abkommen noch zustimmen.

Die EU-Kommission geht derzeit davon aus, dass das Freihandelsabkommen mit Japan ein reines EU-Abkommen ist, für das allein die EU zuständig ist. Dies würde dazu führen, dass die EU-Mitgliedstaaten dieses Abkommen nicht ratifizieren müssten. Nachdem die amtliche Übersetzung des Abkommens vorgelegt ist, müssen die NGOs sehr genau prüfen, ob diese Positionierung der EU-Kommission akzeptiert oder gegen die Aushebelung der nationalen Parlamente vorgegangen wird.

Freihandelsverhandlungen mit China

Die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit China wurden ausgesetzt. Allerdings versuchen die EU und die chinesische Regierung in anderen Bereichen Abkommen auszuhandeln, zum Beispiel befindet sich seit November 2013 ein „umfassendes EU-China-Investitionsabkommen“ in Verhandlung. Zu diesen geplanten Abkommen fand die letzte Verhandlungsrunde am 9. Oktober 2017 in Beijing statt. Damit wird laut österreichischer Handelskammer "das erste reine Investitionsabkommen auf europäischer Ebene“ mit einem anderen Staat ausgehandelt, „seit durch den Vertrag von Lissabon die Kompetenz für Investitionen von den Mitgliedstaaten auf die EU übertragen wurde“. So sollen „Investitionsbestimmungen nicht in einem Freihandelsabkommen [...] sondern Inhalt eines ‚stand alone‘-Investitionsabkommens“ werden. Ein Ziel der EU-Kommission ist, mit diesem Abkommen die bisherigen „27 bilateralen Investitionsschutzverträge (BITs) der EU-Mitgliedstaaten (nur Irland hat kein BIT mit China) mit China ab[zu]lösen und dadurch ein vereinheitlichtes europäisches Investitionsschutzregime entstehen [zu] lassen“.

Weitere Verhandlungen der EU mit Staaten aus Asien:

  • Malaysia: Rund die Hälfte der Verhandlungen ist vollzogen. Die schwierigsten Fragen müssen jedoch noch gelöst werden.
  • Indonesien: Die dritte Verhandlungsrunde fand im September 2017 statt.
  • Thailand: Vier Verhandlungsrunden haben bereits stattgefunden. Weitere Verhandlungsrunden wurden nicht festgesetzt.
  • Philippinen: Bisher gibt es kein Datum für eine weitere Verhandlungsrunde.
  • Myanmar: Bisher haben vier Verhandlungsrunden stattgefunden. Ein Datum für die nächste Verhandlungsrunde wurde noch nicht festgelegt.
  • Indien: Derzeit finden keine Verhandlungen statt. Diskussionen über die Wiederaufnahme der Verhandlungen laufen.

Freihandelsabkommen EU-Mercosur

Mit den Mitgliedstaaten des Mercosurs steht die EU kurz vor dem Abschluss eines Freihandelsabkommens. Bereits im Jahr 2000 wurden die Verhandlungen der Europäischen Union mit Mercosur begonnen. Die letzte Verhandlungsrunde mit den Mercosur-Staaten fand von 2. bis 6. Oktober 2017 in Brasilia statt.

Freihandelsabkommen EU – Mexiko

Nach Aussagen der EU-Kommission stehen auch die Verhandlungen über ein aktualisiertes Freihandelsabkommen zwischen Mexiko und der EU „kurz vor dem Abschluss“. Vom 25. bis 29. September 2017 fand die fünfte Verhandlungsrunde mit Mexiko statt. Das Ziel dieses Freihandelsabkommens ist, das bestehende Abkommen, das seit mehr als 17 Jahren in Kraft ist, zu modernisieren und „den Anwendungsbereich des bestehenden Abkommens auszuweiten, indem der Handel mit Waren, Dienstleistungen und Investitionen intensiviert sowie der Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen verbessert wird“. Ein weiteres Ziel dieses neuen Abkommens ist, dass „nicht-tarifäre Handelshemmnisse abgebaut werden und geistiges Eigentum inklusive geographischer Angaben sowie Investitionen besser geschützt werden“. Die Wirtschaftskammer Österreich schreibt:

"Was genau soll modernisiert werden?

  • In Bezug auf den Warenhandel soll über das WTO-Abkommen hinausgegangen werden und insbesondere Zölle und Handelserleichterungen im Fokus stehen.
  • Eines der Ziele soll die Vereinfachung des Handels durch umfassende Kapitel zu nicht-tarifären Handelshemmnissen für Industriegüter, Nahrungsmittel und Landwirtschaft ohne Schwächung des Regelungsschutzes sein.
  • Auch der Handel mit Dienstleistungen soll weiter verbessert werden, indem man auf die Arbeiten im Zusammenhang mit den Verhandlungen von 24 WTO-Mitgliedern zu einem multilateralen Dienstleistungsabkommen (TiSA) aufbaut.
  • Für Investitionen soll es einen verbesserten Marktzugang in Sektoren wie Telekommunikation und Energie geben und im modernisierten Abkommen soll auch ein Kapitel zum Investitionsschutz auf Basis der derzeitigen Reformen enthalten sein.
  • Der Schutz des geistigen Eigentums soll ebenfalls Teil der Modernisierung sein und insbesondere den Schutz für geographische Angaben erweitern.
  • Das derzeitige Abkommen (Global Agreement) sieht bei öffentlichen Aufträgen nur die Zentralregierungsebene vor. Das modernisierte Abkommen soll jedoch so wie das Abkommen der EU mit Kanada alle Regierungsebenen inkludieren.
  • Darüber hinaus soll das modernisierte Abkommen auch klare Verpflichtungen zur nachhaltigen Entwicklung beinhalten."

Das Handelsvolumen zwischen der EU und Mexiko beträgt laut Handelsblatt „etwa 62 Milliarden US-Dollar (52 Mrd. Euro)“. Die EU zählt für Mexiko zu den wichtigsten Handelspartnern. In den Jahren 2000 bis 2015 flossen nach Angaben des Handelsblattes „rund 156 Milliarden US-Dollar (132 Mrd. Euro) an Investitionen aus der EU nach Mexiko“. Grund für diese Investitionen sind die für transnationale Unternehmen aus der EU sehr niedrigen Lohnkosten in Mexiko. Aufgrund des bestehenden Freihandelsabkommen NAFTA zwischen den USA, Kanada und Mexiko haben die EU-Unternehmen durch Investitionen in Mexiko einen nahezu ungehinderten Zugang zum US-amerikanischen Binnenmarkt.

Freihandelsabkommen mit südlichen Mittelmeerländern und Staaten aus dem Nahen Osten

Mit den südlichen Mittelmeeranrainern und den Staaten des Nahen Ostens unterhält die EU verschiedene Abkommen. Mit acht Ländern bestehen Assoziierungsabkommen, gleichzeitig laufen offenbar Gespräche, die Abkommen mit einzelnen Ländern in Bereichen wie der Landwirtschaft und bei industriellen Standards auszuweiten.

Folgende Abkommen sind aktuell in Kraft:

  • Ägypten
    Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation: in Kraft seit 1. Juni 2004
    Vertieftes und umfassendes Freihandelsabkommen (DCFTA): seit Juni 2013 Vorbereitungsgespräche ("scoping exercise")
  • Algerien
    Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation: in Kraft seit 1. September 2005
  • Israel
    Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation: in Kraft seit 1. Juni 2000
  • Jordanien
    Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation: in Kraft seit 1. Mai 2002
    Vertieftes und umfassendes Freihandelsabkommen (DCFTA): seit März 2012 Vorbereitungsgespräche ("scoping exercise")
  • Libanon
    Europa-Mittelmeer-Assoziationsabkommen: in Kraft seit 1. April 2006
  • Libyen
    Rahmenabkommen: Verhandlungen seit November 2008
  • Marokko
    Europa-Mittelmeer-Assoziationsabkommen: in Kraft seit 1. März 2000
    Vertieftes und umfassendes Freihandelsabkommen (DCFTA): Verhandlungen seit März 2013
  • Palästinensische Behörde
    Europa-Mittelmeer-Interimsassoziationsabkommen: in Kraft seit 1. Juli 1997
  • Syrien
    Kooperationsabkommen: in Kraft seit 1. Juli 1977, teilweise Suspendierung am 3. September 2011 und teilweise Suspendierung am 27. Februar 2012
    Assoziierungsabkommen: paraphiert am 14. Dezember 2008
  • Tunesien
    Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation: in Kraft seit 1. März 1998
    Vertieftes und umfassendes Freihandelsabkommen (DCFTA): Verhandlung seit 13. Oktober 2015

Freihandelsabkommen zum Handel mit Dienstleistungen (TiSA)

Das Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (TiSA) ist eines der wenigen multilateralen Abkommen, dass derzeit aktiv über die Welthandelsorganisation (WTO) verhandelt wird. Es wird von 23 Mitgliedern der Welthandelsorganisation (WTO), darunter auch die EU verhandelt. In den verhandelnden Ländern werden laut Europäischer Kommission „70 Prozent des weltweiten Handels mit Dienstleistungen“ abgewickelt. Dabei basiert TiSA „auf dem Allgemeinen Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (General Agreement on Trade in Services, GATS) der WTO“. Ziel von TiSA ist die Öffnung der Märkte „in Bereichen wie Lizensierung, Finanzdienstleistungen, Telekommunikation, elektronischer Handel, Seeverkehr und grenzüberschreitende Arbeitnehmermobilität im Dienstleistungssektor“.

Die NaturFreunde werden in den nächsten Jahren versuchen, über die verschiedenen Freihandelsabkommen und ihre Wirkungen auf Landwirtschaft, Verbraucher_innenrechte, Arbeitnehmer_innenrechte und Umwelt und Natur aufzuklären und den Widerstand gegen diese neoliberale Form der Globalisierung zu organisieren.

Uwe Hiksch
Mitglied im Bundesvorstand der NaturFreunde Deutschlands