„Die Übernachtungszahlen sind komplett eingebrochen.“ „Es ist vollkommen offen, wie es weitergeht.“ Es waren schon dramatische Berichte, die auf der Bundeshäuserkonferenz Ende Juni im Naturfreundehaus Rahnenhof (K 9) vorgetragen wurden. Die Folgen der Corona-Pandemie haben auch viele Naturfreundehäuser hart getroffen.
Zwar dürfen die meisten Häuser seit Ende Mai wieder Gäste empfangen, doch die Realität ist eine andere. Fast alle der für Sommer und Herbst geplanten Aufenthalte wurden storniert und insbesondere viele der kleineren Naturfreundehäuser haben nicht wieder geöffnet – der Betrieb lohnt sich noch nicht. „Wenn ich nur drei Zimmer belegen darf, brauche ich nicht aufzumachen“, beschrieb ein bayerischer Delegierter auf der Bundeshäuserkonferenz seine Lage. Und ja, leider gibt es auch Naturfreundehäuser, die ihre Türen überhaupt nicht mehr öffnen werden.
"Die Schließzeit haben wir mit Renovierungsarbeiten überbrückt. Leider sind wir aber nicht um die Beantragung von Kurzarbeit herumgekommen. Allerdings haben wir unsere soziale Verantwortung wahrgenommen und mit Beginn des Lockdowns gemeinschaftlich geklärt, wer wie dringend auf sein Gehalt angewiesen ist. So wurde der Koch zum Schreiner und die Thekenkraft zur Polstererin."
Marco Zirkel, Naturfreundehaus Finsterbrunnertal (K 13)
"Vielen Naturfreundehäusern geht es coronabedingt wirtschaftlich sehr schlecht, die Zeiten sind gerade schwierig. Aber wir haben so viele positiv denkende Menschen bei den NaturFreunden und unsere Naturfreundehäuser sind immer so gut wie die Menschen dahinter. Der Erfolg jedes Hauses ist gerade auch davon abhängig, wie die Hygiene- und Abstandsregeln gelebt werden."
Gerd Welker, Geschäftsführer Naturfreundehäuser Württemberg
"Mit Beginn des Lockdowns ist unser Pächter sogleich auf Außerhausverkauf umgestiegen und unsere Ortsgruppe hat für ihn Flugzettel verteilt und die Werbetrommel gerührt. Jetzt nach der Wiedereröffnung halten sich unsere Gäste sehr gut an die Hygienevorgaben. Auch wenn alle geplanten Feste ausfallen, bin ich fest davon überzeugt, dass sich unser Haus von Corona nicht unterkriegen lässt."
Brigitte Auer, Naturfreundehaus Haßloch (K 17)
"Während der Schließzeit haben wir vor dem Haus Getränke gegen Spende in Selbstbedienung ausgegeben. Die Quelle am Haus diente dabei als Kühlschrank. Mittlerweile haben wir wieder geöffnet und halten die Bestimmungen strengstens ein. Die Nachfrage ist jedoch noch gering. Die Menschen sind einfach noch nicht wieder so unterwegs wie vor Corona."
Heinz Blodek, Naturfreundehaus Badener Höhe (L 24)
"Die drei Monate Schließzeit haben uns hart getroffen, sämtliche Buchungen für mehrere Monate wurden storniert. Die Verluste konnten wir zwar durch eine genehmigte Soforthilfe weitgehend ausgleichen, geplante Investitionen haben wir aber zurückfahren müssen. Mitte Juni erreichten uns dann plötzlich wieder viele Anfragen. Scheinbar gibt es aktuell wieder einen großen Bedarf an Selbstversorgerhäusern ohne sonstigen Publikumsverkehr."
Waldemar Grytz, Naturfreundehaus Römerstein (M 42)
"Wir schaffen gerade eine Auslastung von bestenfalls 50 Prozent, normalerweise sind wir in den Sommermonaten meist komplett ausgebucht. Die Corona-Krise sehen wir auch als Chancen, uns wieder stärker auf Vereine, Jugendliche und Familien mit Kind zu konzentrieren, mit deren Hilfe eine bessere Auslastung im Winterhalbjahr möglich wäre."
Oliver Wendenkampf, Naturfreundehaus Kalifornien (C 1)
Klassenfahrten zum Beispiel – für viele Naturfreundehäuser eine Haupteinnahmequelle – sind in vielen Bundesländern nach derzeitiger Gesetzeslage bis mindestens Jahresende verboten. Zudem wurden Lehrer*innen angehalten, von Buchungen im kommenden Jahr abzusehen, sofern diese nicht kostenfrei storniert werden können.
Viele Angestellte in Kurzarbeit
Überhaupt ist die Bevölkerung verunsichert: Buchungsanfragen erreichen die Häuser nur zögerlich. So waren selbst in der sommerlichen Hauptsaison die Übernachtungszahlen in vielen Häusern ausgesprochen schlecht. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf das Personal. Viele Angestellte waren lange in Kurzarbeit und wurden danach oft nur tageweise zurückgeholt, wenn das Haus gerade belegt war. Tatsächlich stellen sich viele Naturfreundehäuser die Frage, wie sie über den Winter kommen – oder ob. Denn die kalten Monate zählen vielerorts zur sowieso schlecht gebuchten Nebensaison.
Natürlich gibt es auch kleine Lichtblicke: Gäste, die Anzahlung spenden oder bereits stornierte Aufenthalte, die wieder reaktiviert werden. Oder außengastronomische Angebote von Naturfreundehäusern, die plötzlich überdurchschnittlich angenommen werden. Auch gibt es wieder Anfragen für Selbstversorgerhäuser – zumindest dort, wo die Auflagen es erlauben. In einzelnen Bundesländern ist die Beherbergung seit Mitte Juli wieder fast ohne Einschränkungen möglich.
Doch sicher ist, dass die entstandenen Verluste aus der Corona-Krise die Naturfreundehäuser noch sehr lange belasten werden. Denn aufholen lassen sich die entgangenen Übernachtungen nicht: „Die Menschen werden im nächsten Jahr nicht mehr Urlaubstage haben, die Schulen nicht mehr Klassenfahrten machen und auch die Zahl der für einen Ausflug ins Grüne geeigneten Wochenenden wird 2021 nicht wachsen“, konstatiert Harald Peschken, im NaturFreunde-Bundesvorstand zuständig für die Naturfreundehäuser.
Ein Tropfen auf den heißen Stein
Abhilfe leisten soll eigentlich das Konjunkturprogramm des Bundes. Explizit an gemeinnützige Organisationen richten sich die darin verankerten Überbrückungshilfen und ein KfW-Kredit-Sonderprogramm. Doch leider sind auch die nur ein Tropfen auf den heißen Stein, wie der „Verbändekreis gemeinnütziger Jugend- und Bildungshäuser“ enttäuscht feststellte.
In diesem Kreis arbeiten 16 Häuser besitzende Dachverbände zusammen, darunter Jugendherbergen, Schullandheime und NaturFreunde, um in der Corona-Krise den Forderungen ihrer gemeinnützigen Einrichtungen mehr Gehör zu verschaffen. Denn vom Ende März verabschiedeten Soforthilfeprogramm des Bundes waren die Verbände regelrecht schockiert: Gemeinnützige Organisationen konnten die Hilfen aus steuerrechtlichen Gründen nicht in Anspruch nehmen, man war schlichtweg durchs Raster gefallen.
Deshalb riefen die 16 Verbände ihre rund 1.700 Bildungseinrichtungen auf, Ausfälle und den Finanzbedarf zu melden – darunter natürlich auch die fast 400 Naturfreundehäuser. Sofort wurde die dramatische Situation bei gemeinnützigen Jugend- und Bildungshäuser klar: Bis März 2021 waren bereits 36 Millionen Übernachtungen abgesagt worden, was einem Mangelbedarf von 736 Millionen Euro entspricht. 40.000 Arbeitsplätze drohten verloren zu gehen. Allein in den Naturfreundehäusern arbeiten 2.795 Menschen ehrenamtlich, auf Vollzeitstellen umgerechnet sind 443 bezahlte Stellen gefährdet.
Keine Hilfen vom Bund
Zurück zum aktuellen Konjunkturprogramm der Bundesregierung: Auch wenn die Verbände darüber dankbar sind, mag sich richtige Freude nicht wirklich einstellen. Denn die dort erwähnten „Überbrückungshilfen für kleine und mittelständische Unternehmen“ sind Liquiditätszuschüsse nur für die Monate Juni bis August 2020. Und bei der Beantragung sind die Hürden gerade für kleine ehrenamtlich bewirtschaftete Häuser sehr hoch: Anträge dürfen nur Steuerberater* und Wirtschaftsprüfer*innen stellen, zudem gilt das Windhundprinzip – wer zuletzt einreicht, geht leer aus.
Auch das zur Stabilisierung gemeinnütziger Organisationen aufgelegte Kredit-Sonderprogramm über die KfW für die Jahre 2020 und 2021 ist „ein unheimlicher Griff ins Klo“, kritisiert Harald Peschken. Denn Kredite müssen zurückgezahlt werden und verschieben so nur die Probleme. Peschken hat schlaflose Nächte, wenn er darüber nachdenkt, wie die Naturfreundehäuser über den Winter kommen sollen.
Debattiert wird jetzt ein drittes Förderpaket über 100 Millionen Euro, wovon 75 Millionen für gemeinnützige Häuser in Deutschland vorgesehen sind. Vollkommen unklar sind allerdings noch die Förderkriterien. Hier will sich der Verbändekreis weiter engagieren. „Wir fordern, dass die Zuschüsse diesmal ausreichen, um alle gemeinnützigen Häuser in Deutschland erhalten zu können“, mahnt Peschken, appelliert gleichzeitig aber nicht nur an die Politik: „Jetzt zählt die Solidarität jeder*s Einzelnen: Macht auf die dramatische Lage gemeinnütziger Häuser aufmerksam, sprecht Parlamentarier*innen in eurer Region an, übt Druck auf die Kommunen aus.Jede und jeder sollte Urlaub im Naturfreundehaus machen, auch im nächsten Jahr. Damit die Häuser wieder eine Perspektive haben und wissen, dass es weiter geht.“
Karolin Krieghoff