„Ein Angriff auf unsere Demokratie“

Der Bundestagsabgeordnete Marco Bülow kämpft gegen das Freihandelsabkommen

Marco Bülow
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Streng geheim waren die ersten Verhandlungsrunden über das von den USA und der EU geplante Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership). Und doch wird es mittlerweile kontrovers diskutiert. Das ist ein großer Erfolg aller Aktivisten, die schon vor Monaten Alarm schlugen. Schließlich steht das TTIP nicht nur für eine neoliberale Ideologie. Das Freihandelsabkommen ist ein Angriff auf unsere Demokratie.

Zwei Dinge sind nun wichtig: Zum einen müssen alle Fakten unverzüglich auf den Tisch. Die Geheimhaltung darf nicht weiter mit verhandlungstaktischen Argumenten gerechtfertigt werden. Zum anderen muss es eine Diskussion über die grundsätzliche Systematik von Freihandelsabkommen geben. Denn mit dem Dienstleistungsabkommen TISA wird schon das nächste Abkommen verhandelt.

Nicht am Verhandlungstisch: die Bevölkerung
TTIP ist ein Lehrstück für den Versuch einiger Lobbyisten und Politiker, unumkehrbare Fakten zugunsten weniger Großkonzerne zu schaffen. Zwar wird immer wieder betont, dass vor allem der Mittelstand vom Freihandel profitieren würde. Doch die treibenden Kräfte sind die Bankenlobby, die Pharmaindustrie und Großkonzerne. Die Chefunterhändler der USA kommen direkt von der Wall Street. Parlamente, Nichtregierungsorganisationen und die Zivilbevölkerung sitzen überhaupt nicht am Verhandlungstisch.

Der Mechanismus von Freihandelsabkommen lässt sich auf eine einfache Formel bringen: größere Märkte gleich größere Unternehmen. Das Problem daran ist, dass größere Unternehmen so immer größere Ressourcen einsetzen können, um durch Lobbyismus Einfluss auf die Gesetzgebung zu nehmen. Das ist die ealität. Der Einfluss von Großkonzernen auf die Politik wird immer stärker bis zur Erpressung ganzer Staaten.

Konzerne profitieren von sinkenden Löhnen
Die Debatte um das Freihandelsabkommen TTIP zeigt auch, wie sehr Politikern die neoliberalen Dogmen in Fleisch und Blut übergegangen sind. Stets wird betont, dass der Freihandel das Handelsvolumen und damit auch Wirtschaftswachstum und Wohlstand erhöhe. Die Fakten sind andere: Das NAFTA-Abkommen zwischen den USA und Mexiko zum Beispiel führte zwar tatsächlich zu mehr Handel, allerdings nicht zu mehr Wohlstand. Allein die Konzerne profitierten – von sinkenden Löhnen. Mehr internationalen Handel gibt es dann, wenn nationale Standards gesenkt werden. Würden sie hingegen erhöht, stiege die Anzahl der Unternehmen, die diese Anforderungen nicht mehr erfüllen können und aus dem Markt ausscheiden.

Nicht nur die intransparente Art und Weise des Zustandekommens, sondern auch die Abkommen selbst sind ein Angriff auf unsere Demokratie. Zwar wurden die TTIP-Verhandlungen über Schiedsgerichte, die über dem nationalen Rechtssystem stehen sollten, vorerst ausgesetzt. Allerdings ist mit dem sogenannten Regulierungsrat RCC ein weiteres nicht demokratisch legitimiertes
Gremium in Planung, dem auch Wirtschaftsvertreter angehören könnten. Bevor das EU-Parlament oder die nationalen Regierungen von neuen Verordnungen aus Brüssel erfahren, würden diese im RCC diskutiert. Kritiker befürchten, dass Industrievertretern so erneut ein exklusiver Zugang zu Gesetzesvorhaben gewährt wird. Zudem ist immer noch nicht geklärt, ob über das Freihandelsabkommen TTIP am Ende überhaupt in den Parlamenten abgestimmt wird.

Fakt ist: Die Einfluss- und Entscheidungsmöglichkeiten verschieben sich immer weiter weg von den Bürgern und ihren demokratisch gewählten Abgeordneten hin zu Großunternehmen, deren Hauptziel die eigene Profitmaximierung ist. Ich fordere deshalb:

  • eine breite öffentliche Diskussion über alle weiteren Handelsabkommen und deren Auswirkungen;
  • vollkommene Transparenz von Verhandlungsbeginn an, eine stärkere Beteiligung der Zivilgesellschaft und die Beschränkung des Einflusses der Wirtschaftslobby;
  • die zwingende Zustimmung der nationalen Parlamente.

Marco Bülow (SPD), Bundestagsabgeordneter und Mitglied der NaturFreunde Deutschlands
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in NATURFREUNDiN 3-2014.