Lehrgangsbericht: Starke Schneeverwehungen im Juni

Mehr Sicherheit am Berg: die Ausbildung zum Bergwanderleiter

Bergwanderergruppe im Juni
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Bergwandern ist faszinierend, gesund und beliebt – und kann tödlich enden. Etwa 100 Menschen sterben dabei jährlich allein in Österreich, in der Schweiz sind es durchschnittlich 40. Denn anders als beim Bergsteigen wird beim Wandern im alpinen Gelände in der Regel nicht gesichert. Ein Stolpern oder Rutschen kann dann verhängnisvolle Folgen haben. Klar ist: Eine Wanderung in den Bergen ist kein Sonntagsspaziergang, sondern erfordert ein hohes Maß an Erfahrung und Gefahrenbewusstsein. Das Bundeslehrteam Bergsport der NaturFreunde empfiehlt, nur mit ausgebildeten Führern auf Bergwanderung zu gehen und bildet auch selbst aus. Der achttägige Ausbildungsgang zum Bergwanderleiter wird Ende Juni wieder im Solsteinhaus (1.805 m) im Naturpark Karwendelgebirge angeboten. Der Münchner NaturFreund Hans Greßirer hat ihn genau dort im letzten Jahr absolviert und hier seine Erfahrungen dokumentiert.

Vom Bahnhof Hochzirl bei Innsbruck sind es knapp 900 Höhenmeter zum Solsteinhaus. Gute 2,5 Stunden dauert der Aufstieg und wirklich schwierig ist er nicht. Genügend Kondition und Motivation hatten je fünf NaturFreundinnen und NaturFreunde aus Baden, Bayern und Hessen mitgebracht.

Denn wir wollten uns als Bergwanderleiter ausbilden lassen. Voraussetzung für die Teilnahme waren unter anderem Trittsicherheit und absolute Schwindelfreiheit und Erfahrungen mit Touren auf ausgesetzten Bergwegen, Schneefeldern, Schrofen und Geröll. Jeder hatte einen Tourenbericht eingereicht und eine aktuelle Ausbildung in Erster Hilfe nachgewiesen.

Trotz des meist miesen Wetters standen tägliche Ausbildungstouren auf dem Programm. Wir erstiegen die 2.404 Meter hohe Erlspitze und lernten dabei das richtige Einseilen mit Seilstück auf mit Drahtseil versehenen Steigpassagen. Auch: Wie geht man sicher auf Wegen und wie im weglosen Gelände, wie orientiert man sich mit Kompass und Karte, wie wandert man nach einer Marschtabelle.

Sommerliche Schneefälle machten die Besteigung des Schnöllplatzls (2.131 m) dann durchaus anspruchsvoll: eine Stelle im zweiten Schwierigkeitsgrad, Fixseil mit Knoten setzen, Spuren legen und die richtige Reaktion bei Stürzen auf sommerlichen Schneefeldern üben, eine der Hauptunfallursachen im Gebirge! Schließlich das sogenannte „Abfahren“ im losen Geröll: eine Art Schuttgleiten in Bergschuhen. Dabei ging es sowohl um Sicherheit, als auch den Schutz der Pionierpflanzen.

Die große Führungstour sollte aufgrund weiterer Schneefälle dann besonders lehrreich werden. Beim Aufstieg auf den Großen Solstein (2.541 m) legten wir Trittstufen im harten Schnee. Vereiste Stellen machten die Tour nicht gerade leichter. Der geplante Abstieg durch das Wörgltal zur Neuen Magdeburger Hütte (1.637 m) wurde aber aufgrund erheblicher Schneeverwehungen und vereister Stellen zu gefährlich. Das Führungsduo plante um, führte zunächst zurück, dann über die sogenannte Edelweißwiese zum Stiffensteig. Teils ausgesetzt stiegen wir so zur Neuen Magdeburger Hütte ab, von der uns das dritte Führungsduo über den Zirler Schützensteig durch eine steile, aber versicherte Schrofenrinne zurück zum Solsteinhaus führte.

Tägliche Theorieeinheiten ergänzten die alpine Praxis, darunter alpine Gefahrenlehre, Führungstechnik und -taktik, Orientierung, Wetterkunde, Rechts- und Versicherungsfragen, Umweltschutz, bergbezogene Erste Hilfe, Lehrmethodik und natürlich das Tätigkeitsfeld eines Bergwanderleiters. Neben der Theorieprüfung und einer Lehrprobe wurden zudem das persönliche Können in weglosem Gelände und Firn, die Kondition, das gefahrenbewusste Handeln und die Gruppenführung auf alpinen Wanderungen beurteilt. Im Team mit Sepp Hümmer und Günther Leicht leitete NaturFreund Werner Kugler, der auch in diesem Jahr die Ausbildung durchführen wird, den Lehrgang höchst kompetent und einfühlsam. Den NaturFreunden stehen nunmehr zehn neue hervorragend ausgebildete Bergwanderleiter zur Verfügung.

Hans Greßirer
Dieser Artikel erschien zuerst in NATURFREUNDiN 1-2014 (S. 14)