Sportklettern: besser sichern mit Halbautomaten oder Autotubes

Sicherung in Kletterhallen und am Fels für Touren mit einer Seillänge und Sicherung vom Boden

Sicherung beim Klettern: Tube versus Click-up
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Bereits im Juli 2014 hat das Bundeslehrteam Bergsport die aktuelle Lehrmeinung zum Thema Sicherungstechnik beim Sportklettern publiziert. Aufgrund der weiteren Diskussionen in den verschiedenen Fachgremien und der Presse sowie neuerlicher Unfälle in Kletterhallen ist es uns wichtig, nochmals auf die Problematik hinzuweisen und eine entsprechende Empfehlung zu geben:

1. Problem
Um Seil ein- oder auszugeben, muss bei der Bedienung der Sicherung die sichere Handposition unterhalb des Gerätes zwangsläufig verlassen werden. Das heißt: Die gewünschte Sicherungswirkung wird immer wieder für einen mehr oder weniger kurzen Zeitraum, wenn die Bremshand noch oben geführt wird, außer Kraft gesetzt. In dieser Bedienphase ist die Bremsmechanik des Gerätes sozusagen außer Funktion und es bedarf einer bewussten schnellen Reaktion des Bedieners, die Hand nach unten zu führen und das Gerät wieder in den sicheren Basiszustand zu bringen. Wenn in diesem Moment ein Sturz erfolgt und die Bremswirkung der Tube angefordert wird, besteht das Risiko, dass es nicht mehr gelingt, die Bremshand schnell genug unter das Gerät zu bekommen. Das Seil fängt nun an durch die Hand zu laufen, ein Halten ist nicht mehr möglich und der Bodensturz damit programmiert.

In der Vergangenheit wurden Unfälle immer ziemlich schnell mit dem Sicherungsfehler „Verletzung des Bremshandprinzips“ erklärt. Natürlich gibt es diese Sicherungsfehler nach wie vor. So beispielsweise wenn das Bremsseil losgelassen oder das Seil permanent oberhalb der Tube gehalten wird. Aber nicht bei jedem Unfall lässt sich ein solcher Sicherungsfehler feststellen und vermehrt sind auch erfahrene Sicherer von Unfällen betroffen, denen sogar sehr gutes Sicherungshandling zugetraut und bestätigt wird. Damit wird bei einem Unfall die Schuld häufig vorschnell dem Sicherer zugeschoben, ohne zu sehen, dass es sich hier um einen Systemfehler des Gerätes handelt.

Dabei ist uns vollkommen klar, dass unter optimalen Bedingungen, das heißt bei ausreichendem Training und voller Konzentration des Sichernden, beobachteten oder angekündigten Stürzen das Gerät funktioniert, sonst würde es deutlich mehr Unfälle gegeben.

2. Problem
Vermutlich wird jeder Kletterer von sich behaupten, er hätte ausreichend Erfahrung mit seinem Sicherungsgerät und selbstverständlich volle Konzentration beim Sichern. Beides halten wir für unrealistisch. Unabhängig von der jeweiligen Schwierigkeit wie auch der Erfahrung werden bei den meisten Kletterern Stürze eher vermieden.

Auch die Behauptung „Ich bin jederzeit beim Sichern voll konzentriert!“ möchten wir in Frage stellen. Aus entsprechenden Untersuchungen ist bekannt, dass die Zeit, in der sich Menschen auf eine Aufgabe konzentrieren können, sehr begrenzt ist. Dies gilt insbesondere für die Bedingungen einer Kletterhalle, wo 1000 Eindrücke (Geräuschpegel, Nachbarseilschaft, der Kumpel, der einen gerade anspricht, ein Krangel im Seil, Nackenschmerzen ...) plus andere innere Faktoren (Ermüdung, Stress bei der Arbeit, die mentale Vorbereitung auf die nächste Route) die optimale Konzentration auf den Sicherungsvorgang erschweren und kurzzeitig die Aufmerksamkeit abziehen.

Lösungsansatz
Diese Kombination von zeitlich begrenzter Sicherungsfunktion des Geräts sowie zu optimistischen Annahmen über die Fähigkeiten von Menschen, perfekt zu sichern, führten dazu, dass die Gefahr, die im Gerät liegt, bisher unterschätzt wurde. Die Häufigkeit der Tube-Unfälle zwingt uns hier zum Umdenken!

Wir sollten nicht auf weitere Unfälle warten. Bisher hatten wir innerhalb des Verbandes Glück und haben noch keinen ernsthaften Unfall zu verzeichnen, für den wir keine vernünftige Erklärung hatten und bei dem wir der Meinung sind, „eigentlich hat er ja alles richtig gemacht“, aber er ist trotzdem am Boden gelandet.

Unser Anspruch an ein Sicherungsgerät sollte folgender sein:
Eine Bremsfunktion sollte immer vorhanden sein, egal in welcher Situation hinsichtlich der Bedienphase oder der Aufmerksamkeit sich der Bediener gerade befindet.

In dieser Hinsicht bringen Geräte, die nach dem Autotube-Prinzip funktionieren, eine wesentliche Verbesserung. Die Grundfunktion dieser Geräte ist dieselbe wie bei der Tube: Das Seil wird zum Blockieren umgelenkt und abgeknickt. Zusätzlich sind diese Geräte aber so konstruiert, dass sie die Bremswirkung unabhängig von der Handkraft des Sichernden erbringen. Die Handhabung unterscheidet sich zunächst kaum von der Tube. Auch hier gilt das Prinzip, dass die volle Bremskraft nur dann zur Verfügung steht, wenn die Bremshand sich unterhalb des Geräts befindet. Im Unterschied zur Tube ist aber zusätzlich der Bereich, in dem die Bremswirkung außer Kraft gesetzt ist, auf einen extrem schmalen Winkel beschränkt, wie die Abbildung veranschaulicht (links Tube, rechts Click-Up):

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© G. Soyer

Die nächste Gruppe von Geräten, die sogenannten Halbautomaten wie GriGri, Matik und viele weitere, sind in Bezug auf die Verfügbarkeit der Bremsfunktion noch „robuster“. Völlig unabhängig von der Position der Bremshand steht die volle Bremswirkung jederzeit zur Verfügung. So gesehen bieten sie die höchste Sicherheit während des Sicherungsvorgangs, aber auch hier ist sorgfältige Bedienung Pflicht und auch hier gibt es spezifische Schwächen (beispielsweise beim Ablassen), die mit einkalkuliert werden müssen.

Wir empfehlen deshalb grundsätzlich auf die Sicherung mit Tube zu verzichten!

Auch für bestimmte Situationen, wenn zum Beispiel

  • bewusst gerätedynamisch gesichert werden muss um z. B. einen harten Anprall an der Wand zu verhindern oder
  • die vorsteigende Person deutlich leichter ist (Kinder)

ist die Tube-Sicherung unserer Meinung nach nicht wirklich erforderlich!

Denn:

  • Wer kann denn schon wirklich Gerätedynamisch sichern?
  • Wann und wo wird das denn so gut trainiert, dass es im Ernstfall auch gekonnt angewendet werden kann?
  • Auch mit Autotubes kann ausreichend körperdynamisch gesichert werden. Ein etwas härterer Anprall an der Wand ist eher in Kauf zu nehmen und birgt weit weniger Verletzungsrisiken als ein harter Grounder.

Allgemeine Hinweise für Trainer

  • Als Autotube werden derzeit folgende Geräte empfohlen: Smart, ClickUp, Ergo und das Mega Jul.
  • Sogenannte „Exoten“ als Sicherungsgeräte wie Sum, Eddy, Cinch etc. werden nicht empfohlen.
  • Die Ausbildung zum Kletterschein erfolgt grundsätzlich mit Halbautomat oder Autotube.
  • Die HMS ist weiterhin eine der wichtigsten Sicherungsmethoden sowohl für Toprope als auch für Vorstieg. Und sollte bereits in der Kletterhalle mitgeschult werden.
  • Die HMS ist die Basismethode für Mehrseillängentouren und für alpines Gelände.
  • Die Bedienung der HMS kann dabei wahlweise in der V-Position (Bremshand oben) als auch mit der Hand-unten-Position (wie beim Tube) erfolgen. Ausschlaggebend dafür, welche Methode verwendet oder gelehrt wird, ist dabei jeweils der Ausbildungs- und Erfahrungsstand der Zielgruppe. Dies kann von Fall zu Fall unterschiedlich sein und ist immer vom Trainer zu entscheiden.
  • Bei der V-Position (Hand oben) ist auf eine ständige Bremsseilkontrolle durch umgreifen zu achten und Fehler wie beispielsweise der Pinzettengriff sind von Anfang an zu vermeiden.
  • Es spricht grundsätzlich auch nichts dagegen, wenn die HMS ausschließlich mit der Hand unten-Position (wie beim Tube) verwendet wird. Auch hier ist natürlich die absolute 100%ige Bremsseilkontrolle durch „tunneln“ erforderlich. Allerdings muss beim Ablassen das Bremsseil dann von oben, Hand über Hand, in den HMS eingegeben werden oder man muss das Seil durch beide Hände gleiten lassen. Zwischen den beiden Seilsträngen sollte kein Öffnungswinkel vorhanden sein, da sonst lästige Krangel entstehen.
  • Bei der HMS ist bereits in der Erstausbildung wichtig, darauf zu achten, dass das Bremsseil immer an dem starren Karabinerschenkel liegt und von unten kommend in den Karabiner einläuft.

Bundeslehrteam Bergsport, im August 2015