Auf grünen Pfaden ins Gehirn

Gute Umweltpolitik braucht auch die richtigen Worte, um sie zu erklären

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„Die Politik muss eine neue Ökosteuer aufsetzen, um den sozialökologischen Transformationsprozess in eine Degrowth-Gesellschaft zu verwirklichen.“ Man muss schon tief in der Materie stecken und sehr überzeugt sein, um bei solchen Aussagen staatstragend zuzustimmen. Alle anderen werden sich kopfschüttelnd abwenden. Was hat der da gerade gesagt?

Eigentlich ist klar: Mehrere Belastungsgrenzen dieses Planeten sind bereits überschritten; die Landwirtschaft muss sich grundlegend ändern und der Klimawandel ist schon spürbar. Dank diverser Studien wissen wir genug, um eine Agrarwende einzuleiten, die keinen hungern lässt, eine Energiewende, die das Licht nicht ausgehen lässt und eine Verkehrswende, die jeden weiterhin zur Arbeit bringt. Doch warum passiert so wenig? Offensichtlich sind die Themen für die große sozialökologische Transformation der Gesellschaft nicht so recht durchgedrungen. Im Bundestagswahlkampf jedenfalls haben sie keine Rolle gespielt – trotz klarer Fakten, denn als solche sind Klimawandel & Co. wohl einzustufen.

Augenscheinlich ist der Schutz der Umwelt ein schwieriges Geschäft. Studien aus der Psychologie, Neurologie oder Soziologie belegen: Der Mensch nimmt Fakten nicht neutral auf, sondern ordnet sie bestehenden Überzeugungen zu. Das menschliche Gehirn ist darauf programmiert, Dinge auszublenden, die entweder nicht in das eigene Wertesystem passen oder die es als schmerzhaft und quälend identifiziert. Auf diese Weise werden nicht nur schlechte Angewohnheiten verleugnet, sondern auch die dringende Notwendigkeit, gegen die Vergiftung der Trinkwässer mit Nitraten, das gigantische Artensterben oder die menschengemachte Klimastörung sofort vorzugehen.

Besonders deutlich wird dies am Klimawandel: Das in Paris von den Staats- und Regierungschefs formulierte Ziel, den Klimawandel nicht über 1,5 Grad steigen zu lassen, bedeutet, dass noch etwa 280 Milliarden Tonnen Kohlendioxid ausgestoßen werden dürften. Derzeit sind es jährlich 32 Gigatonnen, das Maß ist in neun Jahren erreicht. Dann müssen die Kohlendioxid-Emissionen weltweit auf null sinken. Und das bedeutet: keinen Flug, keinen Kilometer mehr mit dem Dieselmotor, keine Gasheizung und auch kein Zement mehr im Wohnungsbau.

tabelle_umweltkommunikation_450_0.jpgDas ist unvorstellbar, nicht etwa weil es keine klimafreundlicheren Alternativen gibt (die sind zum Teil seit Jahrzehnten bekannt), sondern weil unsere Gehirne diese einfache Grundschulmathematik aus Angst vor den Konsequenzen ignorieren. Das menschliche Gehirn arbeitet bei diesen Themen nach dem „Morgensternschen Prinzip“: Dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Die Folgen des Klimawandels sind zu abstrakt und zu weit weg, um bei uns den notwendigen Handlungsdruck zu erzeugen. Politik, die das Anthropozän zu einem Zeitalter der Nachhaltigkeit werden lässt, braucht neue Ansätze, neue Begriffe, neue Denkrahmen und neue Erzählungen, die unsere Gehirne erreichen. Die Forschung gibt folgende Hinweise:

Erfahrungsbasiert sprechen
Über eine ökologische Finanzreform zu sprechen und ein Umsteuern in der Fiskalpolitik zu fordern, ist für viele Menschen zu abstrakt. Das menschliche Gehirn funktioniert erfahrungsbasiert, es braucht konkrete Beispiele zum Verstehen: Die ÖPNV-Unternehmen in Deutschland nehmen jedes Jahr rund sechs Milliarden Euro für Ticketverkäufe ein. Statt den Diesel jedes Jahr mit sieben Milliarden Euro zu subventionieren, könnten wir den gesamten Bus- und Straßenbahnverkehr in Deutschland ab morgen kostenfrei machen – ohne, dass es einen Euro extra kostet.

Achtung Alltagssprache
Viele wissenschaftliche Termini werden von Laien anders verstanden als von Forschern. Unsicherheit zum Beispiel ist für Forscher Teil des Erkenntnisprozesses, weil „Unsicherheit“ festlegt, wie weit Ergebnisse verallgemeinerbar sind. Die Öffentlichkeit hört jedoch aus „Unsicherheit“ heraus, dass die Wissenschaft noch nichts sicher weiß – obwohl oft das Gegenteil der Fall ist. Eine Theorie ist für Forscher das Beste, was sie anbieten können – in der Öffentlichkeit ist es aber eben nur eine Theorie im Sinne einer Vermutung. Insbesondere doppeldeutige Termini sollten mit großer Umsicht eingesetzt werden.

Eindeutige Deutungsrahmen setzen Häufig werden Worte genutzt, die nicht das ausdrücken, was eigentlich gemeint ist. Eine Klimaerwärmung erinnert an Mutterwärme, Bettwärme und ist stark positiv geprägt. Der Klimaschutz schützt das Klima. Aber müsste die Bevölkerung nicht eigentlich vor dem Klima geschützt werden? Und ein Klimawandel ist etwas Natürliches. Schließlich wandelt es sich selbst. Besser wäre es von einer menschengemachten Klimastörung zu sprechen, denn das Klima wird vom Menschen verändert.

Keine Verneinungen nutzen
In der Umweltbewegung war der Reiz schon immer groß, gegen etwas zu sein: Gegen die Atomenergie, gegen die industrielle Landwirtschaft, gegen die Kohle. Um Mehrheiten zu erlangen, führen Verneinungen jedoch in die Sackgasse. Wo jemand gegen etwas ist, wird er das dahinter liegende Konzept verstärken: Denken Sie jetzt nicht an einen rosa Elefanten. Sie kommen bei so einer Aufforderung gar nicht umhin, an einen Elefanten zu denken. Eine Idee sprachlich zu negieren bedeutet immer, sie im Gehirn des Hörers zu aktivieren – und damit zu stärken.

Nicht polarisieren
Wenn man immer wieder mit der Dringlichkeit des Klimawandels oder des Artensterbens vor verschlossenen Türen steht, hat das in der Regel wenig damit zu tun, dass die Empfänger dieser Botschaften nicht in der Lage sind, das Mitgeteilte zu erfassen. Doch weil sie dabei häufig als Klimaleugner oder Ideologen gebrandmarkt werden, ist Kommunikation in der Regel nicht möglich. Statt sich in einen Streit über die Richtigkeit von wissenschaftlichen Erkenntnissen zu stürzen, sollte man besser die Motivation und Wertesysteme des Gegenübers ansprechen. Denn auch eine FDP wird (hoffentlich) nicht wirklich am Klimawandel zweifeln, sondern die Energiewende als nicht in ihr Wertesystem passend empfinden.

Niemals widerlegen
Übernehmen Sie nie die politischen Argumente des politischen Gegners! Wer Falschbehauptungen aufgreift und versucht sie zu widerlegen, stärkt diese, weil er wiederholt. „Es gibt keine Dunkelflaute beim Umstieg auf erneuerbare Energien“ – zack, wurde die Dunkelflaute wiederholt. Das bedeutet nicht, eigene Themen unter den Tisch fallen zu lassen. Vielmehr müssen eigene Interpretationen und Sichtweisen starkgemacht werden.

Keine negativ besetzten Deutungsrahmen
Die Ökosteuer ist bei vielen Menschen negativ besetzt, weil Steuern als unangenehm empfunden werden. Mit der Verknüpfung von Öko und Steuer überträgt sich diese negative Empfindung auch auf Öko, es schwindet die Unterstützung. Tatsächlich aber geht es gar nicht um die Umwelt, sondern darum, ihre Verschmutzung zu verteuern. Mit einer Verschmutzungsabgabe wird sich sprachlich deutlich mehr erreichen lassen als mit Ökosteuern.

Netzwerke statt Individuen ansprechen
Wer in der Kantine erlebt, dass die Kollegen nur vegetarisch essen, Bio kaufen und mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren, eifert ihnen oft nach. Statt Individuen zu überzeugen, sollte Umweltkommunikation eher in bestehende Organisationen und Netzwerke reichen. Was Psychologen als Konformitätsdruck ausgemacht haben, ist äußerst wirksam, wenn es darum geht, Verhalten zu ändern.

Ungewöhnliche Botschafter für gewöhnliche Botschaften
Wenn ein Kapitän der Bundeswehr, der Erfahrungen mit Klimaflüchtlingen am Horn von Afrika gesammelt hat, aufsteht und der Bundesregierung ihre Dialektik in der Flüchtlings- und Klimapolitik aufzeigt, ist das deutlich eindrucksvoller, als wenn dies der Klimareferent einer Umwelt-NGO tut. Über die Akzeptanz einer Botschaft entscheidet der Inhalt weniger als der Botschafter.

Eine bessere Kommunikation allein wird die Welt nicht vor dem Kollaps retten. Doch eine gute Kommunikation ist Voraussetzung für die Vermittlung von Konzepten für eine gute Zukunft. Denn Entscheidungen treffen wir selten rational, wie die Kognitionsforschung eindrücklich zeigt. Politische Entscheidungen beruhen (meist) auch auf Fakten, getroffen werden sie aber aufgrund von Deutungsrahmen im Gehirn, die über Sprache aufgerufen und zugleich gefestigt werden. Diese Deutungsrahmen drücken Werte aus. Und da Menschen wertbasiert entscheiden, müssen diese Deutungsrahmen betont und sorgfältig gewählt werden.

Die Sprache greift in das politische Gehirn ein und formt es. In unserer Kommunikation sollte es immer auch darauf ankommen, förderliche Rahmenbedingungen zu schaffen, damit unsere Botschaften auch verstanden werden.

Kai Niebert
Präsident des Deutschen Naturschutzrings und stellvertretender Vorsitzender der NaturFreunde Deutschlands