Das Motiv für den TTIP-Protest ist nicht der Antiamerikanismus

Ein Kommentar von Michael Müller, Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands

Die NaturFreunde, die aus der Arbeiterbewegung hervorgegangen sind und seit ihrer Gründung  im Jahr 1895 stets für mehr Demokratie gekämpft haben, gehören zu den Hauptorganisatoren der großen Anti-TTIP und Pro-Nachhaltigkeitsdemonstrationen am 10.10.2015 in Berlin und am 23.4.2016 in Hannover. Dennoch erfahren sie von vielen Kommentatoren wieder einmal die alten, längst wiederlegten Behauptungen: Das Motiv für den Protest sei Antiamerikanismus. Man kann nur mit Hermann Hesse sagen: Oh Freunde, nicht solche Töne.

1. Schablone: Die Demonstrationen gegen die Abkommen und die Tatsache, dass nur noch 17 Prozent der Bevölkerung TTIP gut findet, haben einen einzigen Grund: Die geplanten Freihandelsabkommen sind pure Ideologie und stehen in der Tradition von Deregulierung, Liberalisierung und Entstaatlichung, die mit Ronald Reagan und Margret Thatcher begannen und die Welt bereits im Jahr 2008 in die globale Finanzkrise geführt haben.

Offenkundig wird das Lernen aus den Fehlern als "Antiamerikanismus" interpretierte. Es ist aber nicht die Schuld der Demonstranten, dass die Bundesregierung das bis heute nicht begriffen hat.

2. Schablone: Viele Kommentatoren behaupten: Die Demonstranten seien gegen den Freihandel. Unsinn, denn selbst der geistige Vater des Freihandels, David Riccardo, verlangte stets, dass die nationale Souveränität bewahrt bleiben müsse. Das aber hat nichts mit den Geheimverhandlungen und der Entmachtung nationaler Souveränität zu tun, wie sie mit TTIP, CETA und TiSA geplant sind.

3. Schablone: Es gebe keine Alternative zu den geplanten Freihandelsabkommen. Das ist falsch: Es ist die vom Erdgipfel für das 21. Jahrhundert geforderte Leitidee der Nachhaltigkeit. Offenkundig ist sie aber von den Staatschefs nicht gewollt. Frau Merkel und Herr Obama passen sich dem kurzsichtigen Regime der Kurzfristigkeit an, das mit dem Finanzkapitalismus das Kommando übernommen hat.  Beide haben keine Perspektive, sie sind Getriebene des Wachstumsglaubens. Das merken die Menschen.

Eine Bemerkung zum amerikanischen Präsidenten muss noch sein: Barack Obama hat im Jahr 2010 den Friedensnobelpreis sehr schnell und – wie sich dann zeigte – zu früh bekommen. Heute fragen sich viele Menschen, warum? Herr Obama könnte sich die Auszeichnung im nachhinein verdienen, wenn er die Freihandelsabkommen schnell und endgültig beerdigt.