Der gelbe Stern

Gerhard Schoenberner war Pionier in der Aufarbeitung des Nationalsozialismus

Gerhard Schoenberner
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bAm 17. Juni wird die Naturfreundejugend mit anderen Jugendverbänden zu einer großen Gedenkfahrt nach Auschwitz aufbrechen. Dort wollen sich rund 1.000 junge Menschen intensiv mit den NS-Verbrechen auseinandersetzen, um die Gedenkkultur erneut in der Bildungsarbeit der Jugendverbände zu verankern.

Die Bundesleitung der Naturfreundejugend war bereits 1959 unter Walter Buckpesch mit einer großen Delegation nach Auschwitz gefahren, um vor Ort für Vergebung zu bitten. Allein sechs Busse kamen von der Berliner Naturfreundejugend. Die unmittelbare Konfrontation mit den Verbrennungsöfen und Knochenhaufen geht manchem Teilnehmer heute noch nicht aus dem Kopf. Denn die Ausmaße der Nazigräuel waren vielen jungen Menschen damals weitgehend unbekannt.

Um die gewaltigen Wissenslücken der Jugendlichen zu schließen, hatte Rudi Pietschker, seit 1949 Landesjugendleiter in Berlin, einen ausgewiesenen Fachmann zur Naturfreundejugend geholt. Der am 24. Mai 1931 in der Nähe von Küstrin geborene Gerhard Schoenberner – studierter Politologe, Germanist und Theaterwissenschaftler – sollte einen großen Teil der Einstellungen und Bekenntnisse der Naturfreundejugend zum Nationalsozialismus prägen. Bei den NaturFreunden traf er Menschen, die eine neue Demokratie aufbauen und dabei alles über die Verbrechen der Nazis erfahren wollten. Schoenberner konnte diese Informationen geben.

Schoenberner zeigte die Nazi-Verbrechen
1960 erschien Schoenberners erstes Buch: "Der Gelbe Stern". Die vielfach aufgelegte und übersetzte Dokumentation der Judenverfolgung in Europa zwischen 1933 und 1945 gilt auch heute noch als Meilenstein in der Auseinandersetzung mit dem Zivilisationsbruch. Insbesondere die zahlreichen erstmalig veröffentlichten Fotos machten vielen Menschen überhaupt erst deutlich, welche Verbrechen die Nationalsozialisten eigentlich begangen hatten.

Schoenberner stellte "Der gelbe Stern" im Bundesausschuss der Naturfreundejugend vor und sprach 1961 auch zu den Delegierten der Bundesjugendkonferenz in Düsseldorf. Im gleichen Jahr nahm er als Vertreter der Naturfreundejugend als Beobachter am Eichmann-Prozess in Israel teil. Auf Vorschlag der Naturfreundejugend bekam er auch ein Mandat in der Freiwilligen Filmselbstkontrolle (FSK), wo er sich engagiert gegen die Aufweichung der demokratischen Grundsätze während des Kalten Krieges einsetzte.

Immer wieder stellte sich Schoenberner der Naturfreundejugend als Dozent zur Verfügung. Gemeinsam mit Fritz Lamm, Leo Kofl er und Hellmut Kentler gab er sein Wissen zum Beispiel während der sogenannten Jahresabschlusslehrgänge der hessischen Naturfreundejugend in Darmstadt weiter.

Von 1973 bis 1978 arbeitete Schoenberner schließlich als Leiter des deutschen Kulturzentrums in Tel Aviv. Er war Kurator großer Filmfestivals, wurde Mitglied des P.E.N.-Zentrums und förderte den Verein „ Aktives Museum Faschismus und Widerstand“ in Berlin. Zudem wirkte er unermüdlich für die Errichtung der Gedenk- und Bildungsstätte „Haus der Wannseekonferenz“, die er von 1989 bis 1996 dann auch leiten sollte. Im Jahre 1992 wurde die von ihm konzipierte Ausstellung „Die Judenverfolgung 1933–1945“ eröffnet. Schoenberner war auch Mitinitiator der Gedenkstätte „Topografie des Terrors“.

Gerhard Schoenberner nahm bis ins hohe Alter an den jährlichen Treffen früherer Leitungsmitglieder der Naturfreundejugend im Naturfreundehaus Rahnenhof (K 9) teil und berichtete dort immer wieder über seine vielfältige Arbeit. Dass die Jugendverbände im Juni nach Auschwitz fahren, wäre ganz im Sinne von Gerhard Schoenberner gewesen. Der NaturFreund und Pionier der öffentlichen Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Nationalsozialismus ist am 10. Dezember 2012 verstorben.

Bruno Klaus Lampasiak. Bruno Klaus Lampasiak widmete Gerhard Schoenberner auch ein Kapitel des von ihm herausgegebenen Buches "Naturfreund sein heißt Mensch sein".
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in NATURFREUNDiN 2-2015.